09. August 2023
„DemotivatorInnen …“ – oder auch Begegnungen, auf die du verzichten kannst …
Erster Tag in einem Schreibseminar. Eine überschaubare Anzahl von zwei Dozenten und zehn TeilnehmerInnen trifft sich. Ein paar kennen sich schon von anderen Seminaren oder dem Autorentreffen, die meisten aber beschnuppern sich erst einmal.
„Wo kommst du her?“, „Was schreibst du?“, „In welchem Genre bist du zuhause?“, „Hast du schon was veröffentlicht?“, „Verlag oder Selfpublisher?“, usw. usw.
Meist findet sich schnell jemand, mit dem man sich auf Anhieb gut versteht, die Chemie stimmt, und nach und nach – mit jeder neuen Pause – lernt man sich besser kennen, erst recht am Abend, wenn in geselliger Runde die Themen ausgeweitet werden.
Ich bin immer sehr interessiert an dem, was andere tun, was sie erlebt haben, was sie umtreibt und so weiter und vielleicht bin ich auch schnell von jemand anderem (oder dem, was jemand anderes tut) begeistert. Dann zeige ich das auch. Gerne. Und will mehr darüber wissen. Ganz besonders natürlich, wenn sich herausstellt, dass es Gemeinsamkeiten gibt: da ist jemand, der/die macht etwas, das mich auch fasziniert. Etwas, bei dem ich schon länger mit dem Gedanken spiele, es selbst zu tun. Fast immer sind solche Begegnungen äußerst herzlich und bereichernd.
„Ach, du hast das auch vor? Hm …“
Es gibt allerdings Menschen, bei denen löst dieses gemeinsame Interesse, sobald es darüberhinaus geht, etwas anderes aus: Konkurrenzdenken. Gaben sie sich bis eben noch überaus hilfsbereit (vor allem, so lange ihre „Heldentaten“ bewundert und gebührend gewürdigt wurden), so mutieren sie urplötzlich zu
„DeMotivatorInnen“
So nenne ich die Leute, die ab diesem Punkt des Gesprächs ihre Haltung deutlich erkennbar ändern und darauf bedacht sind, ihrem Gegenüber die Sache nun lieber madig zu machen, es in seine Schranken zu verweisen. So geschehen mit einer der SeminarteilnehmerInnen …
Okay, Zeit für ein Beispiel!
Harry Potter, Momo, Cornelia Funke … ich liebe sie alle!
Ich lese (was Wunder?!?) für mein Leben gern. Klar! Als Autorin keine wirklich überraschende Leidenschaft. Aber ich spreche hier nicht vom (stillen) Lesen (das sowieso), sondern vom Vor-Lesen.
Das tue ich bereits seit vielen, vielen Jahren: damals meiner kleinen Schwester, manchmal noch ihren Freundinnen, später Kindern in Kitas und bei öffentlichen Lesungen, bis hin zu meinen eigenen Kindern, denen ich (längst nicht nur) alle sieben Harry-Potter-Bände plus dutzende weiterer Bücher vorgelesen habe.
Meiner Schwester nahm ich seinerzeit „Momo“ von Michael Ende als Hörbuch (mit Musik zwischen den einzelnen Kapiteln!) auf Kassetten auf (wer kennt die noch;-)?).
Die hörte sie dann schon frühmorgens vor der Schule und überhaupt so unzählige Male, dass unsere Mutter irgendwann völlig entnervt in ihr Zimmer kam und sagte: „Mein Schatz, die Geschichte ist wirklich toll, aber ich kann sie nicht mehr hören. Könntest du vielleicht lieber später … und jetzt … mal ausschalten … oder so?!“
Vor kurzem habe ich für mein Patenkind ebenfalls das Büchlein „Kleiner Werwolf“ von Cornelia Funke aufgenommen und die einzelnen Kapitel via Sprach-Memos Abend für Abend an seine Mutter geschickt, die es ihm vorspielte.
Man könnte sagen: es macht mir einen Heidenspaß, mittels der Stimme verschiedenen Charakteren Leben einzuhauchen, Spannung aufzubauen, indem ich sie je nach Charakter verändere, mal schneller, mal langsamer, mal lauter, mal leiser lese und so weiter. Ich sehne jede öffentliche Lesung herbei und träume davon, meine eigenen Romane als Hörbuch einzusprechen.
„Oh, Gott, also mit deiner Artikulation … ich weiß nicht …“
Als mir nun die ach so freundliche Seminarteilnehmerin von einem gemeinsamen Freund vorgestellt wurde und wir auf das Thema „Sprechen“, bzw. „Lesen“ kamen, da war noch alles gut. Ich fragte, wo sie es gelernt hätte und wollte generell mehr darüber wissen. Mit einem Leuchten in den Augen erzählte sie mir, dass sie alle ihre Bücher selber eingesprochen habe. Sie war sichtlich stolz. Und ja, warum auch nicht? Sie sprach sehr akzentuiert, deutlich und angenehm.
ABER: Die Herzlichkeit war fast augenblicklich vorbei, als ich erzählte, dass ich selbst auch gerne Sprecherin wäre. Zack! In Sekundenschnelle wechselte ihr Gesichtsausdruck von freundlich-zugewandt zu arrogant-abgeklärt. Vorbei war es mit den bis dahin freundlich geteilten Informationen, bei welcher Schauspielerin sie Unterricht genommen hatte usw. Stattdessen drückte sie mir nun als Allererstes aufs Auge, dass meine Aussprache ja absolut nicht für einen Sprecher-Job geeignet sei. Da müsse ich als erstes mal das „sch“ (statt „ch“) wegbekommen und überhaupt, sei diese Ausbildung eine lange und schwierige und nicht jeder könne Sprecherin sein oder werden.
Okay, sicher hat sie Recht, dass da aussprachetechnisch bei mir noch Luft nach oben ist. Dennoch aber frage ich mich: Wieso stößt man jemanden deshalb so vor den Kopf, demotiviert einen? Hatte sie Angst, ich würde ihr sofort alle Jobs wegnehmen? Oder fühlte sie selbst sich besser, erfolgreicher, privilegierter, indem sie sich ganz klar von mir abgrenzte?
Ich habe keine Sprecher-Ausbildung genossen, aber ich arbeite seit meinem Gesangsstudium vor Jahrzehnten als Sängerin und zumindest mit Atmung kenne ich mich wirklich aus. Selbstverständlich wurde in meinem Studium (wie auch im privaten Gesangsunterricht, den ich zuvor hatte) auch Lautbildung vermittelt – wenn auch sicher mit einem eher auf Gesang bezogenen Fokus. Allerdings sind die Unterschiede so groß nun auch wieder nicht.
Viele Menschen (Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsenen) haben mir immer wieder gesagt, wieviel Spaß es macht, mir beim Vorlesen zuzuhören. Es sei so „lebendig“, die Charaktere so besonders und markant, ich könne „spannend“ lesen usw. Mehr als einmal bekam ich gesagt, ich müsse das eigentlich beruflich machen. Nun ja …
Preisfrage: Was bringen Negativ-Statements?
Deshalb – und nicht nur deshalb – frage ich mich, warum zieht mich so ein Statement, das mir jemand an den Kopf wirft, der mich noch keine Viertelstunde kennt, so runter?
Vielleicht bin ich ja „zu sensibel“ oder empfindlich. Klar könnte es mir egal sein, was besagte Seminarteilnehmerin von mir hält. Trotzdem hat es mich getroffen – noch dazu, weil ich sie eigentlich sehr sympathisch fand. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt.
Vermutlich aber ist es mir darüberhinaus einfach fremd, einen anderen Menschen, der – an was auch immer – ein großes Interesse zeigt, derart zu demotivieren. Mit einer solchen Art kann ich nichts anfangen. Ich glaube fest daran, dass mit entsprechendem Interesse und Ehrgeiz vieles erreicht werden kann. Wieso also sollte ich einem anderen Menschen, der einen Traum hat, die Energie und den Schwung wegnehmen, bloß weil er oder sie vielleicht das gleiche Interesse wie ich teilt?
Keine Ahnung, wieso DemotivatorInnen das tun, aber ich weiß: So möchte ich nicht agieren. Ich habe schon viele Gesangs-SchülerInnen gehabt – von sehr begabt bis kaum begabt war alles dabei – doch niemals käme es mir in den Sinn, jemandes Wunschtraum mit einem einzigen dahingesagten Negativ-Satz zu zerschmettern oder zumindest solche Zweifel heraufzubeschwören, die jeglichen Mut nehmen können.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde nicht, dass Schönreden um jeden Preis die Lösung ist. Ehrlichkeit ist wichtig. Aber mindestens ebenso wichtig ist Empathie und ein Feingefühl dafür, was ich jemandem wie sage – und demotivieren hat, finde ich, nie einen berechtigten Platz.
Aber okay: Erfahrungen machen uns schließlich nur klüger (meistens jedenfalls). Vielleicht sollte ich der Dame bei der nächsten Begegnung sagen:
Artikulation: sehr gut – Empathie/Fingerspitzengefühl: mangelhaft!
So long, keep on rockin’ und habt eine gute Zeit
Eure LeeZa
Liebe LeeZa
als Sängerin, als Mutter oder einfach als mitfühlender Mensch, bringt man dir sofort Empathie entgegen und deinen Blog zu lesen macht vor allem eines: Spass!!!
Bitte lass‘ dich nicht herunterziehen und glaube an dich und dein Talent!
Viele liebe Grüsse
Vielen Dank, liebe Natalie,
das freut mich sehr, dass Dir mein Blog (den ich viiiiiel zu unregelmäßig bestücke) Spaß macht 🙂
Und ja, ein aufmunterndes Wort wie Deines kann man immer gebrauchen.
Ich wünsche Dir alles Gute!
Liebe Grüße, LeeZa