24. August 2023
Schreiben – ein Sinn-Öffner
Warum? Ganz einfach: Weil es ein Augenöffner ist. Oder vielmehr: ein Sinn-Öffner. Es ist damit so ähnlich wie mit der Fantasie. Oder auch der Kreativität. Kreativität und Fantasie kann man trainieren. Zumindest zu einem Teil. Auch für die kreativsten Menschen unter uns fällt vermutlich nicht in jeder Lebenslage DIE grandiose Idee vom Himmel.
Harry Potter im Hogwarts-Express
Okay, J.K.Rowling hat laut ihren Angaben im Zug gesessen, als ihr die Idee für Harry Potter kam. Sie machte sich daraufhin sofort Notizen. Auf einen … Zettel, weil gerade nichts anderes zur Hand war.
Sie notierte sogar gleich – wenn man den Berichten glauben darf – die Ideen für alle sieben Bände. Zumindest skizzierte sie grob, um was es dabei gehen sollte. Sie ist ein sehr kreativer Mensch, keine Frage. Dennoch bin ich überzeugt, dass auch sie nicht in jeder Lebenslage und zu jeder x-beliebigen Zeit sagen kann: Okay, jetzt mal los. Einfälle kommt zu mir! Na gut, sagen kann sie das schon – nur ob es (immer) funktioniert?
Aber: ich stelle mir durchaus vor, dass sie oft irgendwelche Ideen notiert hat. Auch die kleinen, verhutzelten (ich liebe dieses Wort ;-)) Ideen, die sie möglicherweise danach nie wieder angesehen, geschweige denn verwendet hat. Dennoch hat sie damit ihre Kreativität trainiert. Jedes einzelne Mal.
Das kannst du auch! Immer, wenn du Ideen notierst oder auch nur darüber nachdenkst oder dich hinsetzt und auf Geistesblitze wartest (ganz egal, ob die dann auch sofort oder später kamen), wird dein „Kreativitätsmuskel“ stärker.
Trampelpfade im Gehirn
Das ist ja das Verrückte mit unserem fantastischen Gehirn (oder das Fantastische mit unserem verrückten Gehirn ;-)): Wenn wir einer Tätigkeit nachgehen – und dabei noch Befriedigung erfahren – wird eine Spur gelegt, ein Pfad, der umso leichter begehbar wird, je öfter wir ihn nutzen. Ähnlich einem Trampelpfad im Schnee. Der erste Gang durch den frischen Schnee fällt am schwersten, doch je öfter wir ihn gehen, umso breiter wird er und umso einfacher lässt es sich laufen.
Genau das passiert mit dem Schreiben. Denn damit trainierst du nicht nur die Fantasie (die sowieso), sondern eben auch die – bewusste – Wahrnehmung der Welt um dich herum.
Hast du erst einmal damit angefangen, witzige, spannende, geheimnisvolle Details zu bemerken und bewusst wahrzunehmen, geschieht es in der Folge immer öfter. Wenn du es denn willst. Öffne Augen und Ohren weit für Orte und ihre Stimmungen, für Menschen und ihre Marotten, für Sprache und ihre Klänge.
Es trainiert deine Sinne und deinen Geist, der dann vielleicht schon einen Charakter, ein Setting oder eine Szene vor sich sieht.
Und plötzlich ploppt sie vielleicht auf: die Idee, von der man spürt, dass sie „richtig“ ist, sich gut anfühlt, die wachsen und gedeihen will. Damit kannst du arbeiten, rumpuzzeln, weitere Einfälle finden, die dazu passen und so entsteht, Stück für Stück, die Skizze für eine neue Geschichte, einen Roman.
Tagebuch und Morgenseiten
Es ist keine neue Idee, aber eine gute: das Tagebuch schreiben. Oder Morgenseiten. Nenn es, wie du willst. Okay, Tagebuch nutzen die meisten eher für tatsächlich erlebte Ereignisse und Stimmungen. Zum Glück gibt es kein Gesetz, das vorschreibt, wie man es zu machen hat.
Bei den Morgenseiten heißt es, dass sie schlicht „runtergeschrieben“ werden. Ohne jede Zensur. Und ohne Pause. Einfach Stift ansetzen und los geht’s.
Für 20 Minuten. (Oder wenigstens zehn, wenn’s für mehr nicht reicht. Hauptsache, du schreibst.) Setz den Stift erst ab, wenn die Zeit um ist. Nichts bewerten, nicht bearbeiten, nicht nachdenken, lass einfach fließen. Oder – um es mit einem Zitat aus einem meiner momentanen Lieblingssongs zu sagen:
„Lass es raus – lass es kreisen“
(„Lass es kreisen“ von AnnenMaiKantereit, s. Link unten)
So kann sich eine Erinnerung in deinen Kopf schieben, die vergangene Gefühle noch einmal so intensiv erleben lässt, als spürtest du sie gerade zum ersten Mal. Gerüche sind dabei besonders intensiv. So ergeht es mir immer, wenn ich einen ganz bestimmten Geruch von einer Bäckerei wahrnehme. Dann beamt mich eine Erinnerung an einen Griechenland-Urlaub vor vielen Jahren quasi sofort auf die Insel Naxos, wo ich damals mit meiner Freundin durch die Gassen tigerte, die ganze Zeit über den Duft von frisch gebackenem Brot in der Nase. Was haben wir in den engen, verwinkelten Gassen zwischen all diesen wunderschön weiß-blau getünchten Häusern nach der Backstube gesucht, aus der der Geruch quer durch den ganzen Ort zog. Wir sind fast verrückt geworden dabei, denn jedesmal wenn wir glaubten, dort muss sie sein, lagen wir wieder falsch. Aber aufgeben war keine Option. Der Geruch ließ sich ja nicht ausblenden – und war sooo gut. Also weiter. Irgendwann haben wir die Backstube dann tatsächlich gefunden. Und das frische Brot schmeckte einfach nur himmlisch. Eine Erinnerung, die ich nicht missen möchte – und wer weiß, vielleicht ein sinnliches Detail für eine Geschichte …
In diesem Sinne (schreibt und trainiert sie) und keep on rockin’
Eure LeeZa