02. August 2020
Juhuuu…ein Klavier, ein Klavier…
Ach ja, da fällt mir ein, ich hatte das Klavier ja noch gar nicht erwähnt. Es war so: schon seit ewiger Zeit wollte ich ein Klavier haben, ein echtes natürlich, aus richtigem Holz und so. Der Wunsch gestaltete sich angesichts eines Blickes auf mein Konto und in die Geldbörse etwas schwierig. Ich suchte trotzdem.
Dann stieß ich auf diese Anzeige: wunderschönes, altes Klavier zu verkaufen. Für 500 Mark (jepp, das waren noch D-Mark!). Okay, dachte ich, wenn ich Geburstags- und Weihnachtsgeld zusammen nehme und noch ein bisschen was drauflege, könnte es zu schaffen sein. Ich rief also an und bestätigte noch am Telefon den Kauf des Klaviers. Um es anzuschauen oder auszuprobieren, war es einfach zu weit weg. (Hätte ich da ma lieber anders entschieden…). Selbstverständlich war aber, laut Aussage des freundlichen Verkäufers am Telefon, mit dem Klavier alles in Ordnung.
Doch es war nur der Auftakt zu einem ungeheuren Kraftakt. Ein Freund lieh mir seinen Anhänger und mit drei weiteren, wirklich kräftigen, starken Männern plus meinem damaligen Freund, (weder groß noch kräftig, dafür sehr engagiert ;-)), brachen wir auf, das Klavier zu holen.
Schon beim Einladen dämmerte mir, dass es in unserem alten Mietshaus hoch nicht einfacher werden würde. Aber was wäre die Alternative gewesen? Die ganze Aktion canceln? Kam nicht in Frage.
Also das Teil einladen und los in Richtung Mainz. Und dort, in unserer WG-Wohnung fing der Spaß erst so richtig an.
…und dann folgte die Ernüchterung
Mittlerweile habe ich erfolgreich die endlosen Stunden verdrängt, die meine Freunde brauchten, um das alte Klavier die enge Treppe hoch und in mein Zimmer, gleich unter das selbst gebaute Hochbett, zu transportieren. Wie viele Stunden niemand mehr rauf noch runter konnte, weil das Instrument zwischen Wänden und Geländer feststeckte, wie viel Schweiß auf Klavier und Treppe floss und wie sehr ich darum bangte, meine Freunde nach dieser Aktion noch weiterhin meine Freunde nennen zu dürfen…
Um es kurz zu machen: als es endlich geschafft war, konnte ich mich nur begrenzt freuen, denn die Jungs taten mir einfach nur leid. Zum Glück nahmen sie es mit Humor, versicherten mir aber, dass sie, sollte ich noch einmal ein Klavier kaufen wollen, aller Wahrscheinlichkeit nach verhindert wären.
Das Nachspiel dagegen war alles andere als humorvoll: als der Klavierstimmer das Instrument begutachtete, blickte er mich nur mitleidig an. „Was haben Sie sich denn da andrehen lassen?“, fragte er. „Das Klavier ist nicht mehr zu stimmen“.
Es war nicht nur ein Riss in der Gussplatte, sondern auch die Metallwirbel, an denen sie Saiten aufgehängt sind, waren nicht mehr zu gebrauchen, weil man sie schon mit einem Hammer nachjustiert hatte. Und das, so erklärte es mir der Klavierstimmer, macht man eigentlich nur dann, wenn gar nichts anderes mehr geht. Und es funktioniert auch höchstens noch ein oder zweimal, bevor endgültig Sense ist. Ich hatte Glück: der Fachmann knöpfte mir vor lauter Mitleid nicht mal die Pauschale fürs Kommen ab.
Der Versuch, sich beim „Händler“ zu beschweren, scheiterte kläglich. Es gab ihn gar nicht mehr. Er hatte sich in die Türkei abgesetzt…
Eiscreme satt und Brötchen nachts um drei…
Soviel zu meiner musikalischen Karriere mit dem Klavier in Zeiten der WG.
Aber es gab auch Vorteile in der Wohnung in Mombach: da wir genau zwischen der „besten Eisdiele“ und dem „besten Bäcker von Mainz“ wohnten, war die Verpflegung gesichert. Und zwar zu (fast) jeder Tages- und Nachtzeit. Unsere treuen italienischen Nachbarn versorgten uns mit literweise frischem Eis – und zwar gleich an ihrer Hintertür, die sich im Hof neben unserem Wohnungseingang befand. Es war grandios.
Mindestens genauso grandios war, dass die Bäckerei zur anderen Seite des Hofs (auch sie hatte dort einen Hintereingang) immer dann diesen herrlichen Duft frisch gebackenen Brotes verströmte, wenn wir nachts von einer Party heimkamen. Ihr kennt das: wenn du nach der Party zu Fuß oder mit dem Fahrrad endlich zuhause bist, kommt der Kohldampf. Und da brauchten wir nur an die Hintertür zu klopfen. Ein paar „mißratene“, aber superleckere Brötchen oder Hefeteile waren immer drin. Und nicht nur das: kurz vor Ladenschluss konnten wir uns außerdem noch für ganz wenig Geld, oft auch kostenlos, mit übrig gebliebener Ware versorgen. Ein Hoch auf die Nachbarschaftshilfe.
Naja, nicht alles war rosig…
Okay: nicht so prickelnd waren zweifellos die Bahnstrecke und der Bahnhof gleich hinter dem Haus. Wenn hier nachts die endlosen Güterzüge entlang bretterten, hatte man das Gefühl, direkt zwischen zwei Gleisen zu liegen. Was vom Schlafe übrig blieb…war nicht immer viel.
Und dann gab es da noch die Firma Nestlé. Wer glaubt, der Geruch nach Kaffee (und dessen Verarbeitung) sei echt super, der sollte das mal über sechs Wochen lang, 24/7 testen. Also mir verging, auch als Kaffeeliebhaber, ziemlich bald die Lust auf Kaffee… Aber klar, all das war nichts Schlimmes und wir waren einfach froh, ansonsten in unserer WG unsere Ruhe und unseren Spaß zu haben. Und die stille Karen (halbgriechischer Herkunft) und die permanent rumnölende Isolde (Ossi) werde ich wohl nie vergessen.
Wie es dann weiterging, nämlich mit der Frage, ob ich vielleicht zum Theater sollte und was daraus wurde, das gibt es im nächsten Blog.
So long my dear ones …keep on rockin’ :-).