16.08.20
Spätzünder IV
Medea – oder der Name der Rose?
Die Zeit am Mainzer Ketteler-Kolleg war in vieler Hinsicht inspirierend. Unser Dozent in Deutsch (der auch Religion und Philosophie unterrichtete), verstand es wie kein anderer, uns für die ganze Welt der Kunst, angefangen von der Literatur über Musik bis hin zum Theater, zu begeistern.
Ausflüge wie der zum Kloster Eberbach, als wir „Der Name der Rose“ lasen und den unser Dr. Urban so spannend wie den Thriller selber machte, werden mir wohl immer in Erinnerung bleiben. Noch heute zieht es mich ab und an in den Rheingau, hin zum Kloster Eberbach – Flashback inklusive.
Oder die Aufführung des Stücks „Medea“ am Mainzer Staatstheater, die einfach grandios war – und auch die war natürlich wesentlich durch Urbans spannenden Unterricht beeinflusst.
Das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg „nachzuholen“ und damit ein Spätzünder zu sein hat längst nicht nur Nachteile. Im Gegenteil: ich kann es nur empfehlen. Es ist ganz was anderes, ob du als Pubertier in die Schule musst und total abgenervt bist, oder ob du älter bist und freiwillig hingehst, weil du ein konkretes Ziel damit verbindest. (Okay, ganz so konkret schien es bei mir nicht zu sein, da war viel Raum für Ideen…aber dennoch).
Vielleicht sollte ich ans Theater gehen? Was, wenn da meine Berufung liegt?
Durch einen Kommilitonen, mit dem ich meine Leidenschaft für Geschichten und Theater teilte, – und wiederum inspiriert vom Fach Deutsch und der AG Philosophie – kam ich schließlich darauf, dass ich nach dem Abi Theaterwissenschaft studieren wollte, ja, quasi musste. Als dann dieser Studiengang in Mainz sozusagen brandneu angeboten wurde, deutete ich das als sicheres Zeichen der Bestätigung (nachdem ich in Gießen, wo ich mich auch beworben hatte, nach der zweiten Runde rausflog. Möglich, dass sie nicht mal ahnen, was für einen fatalen Fehler sie damals gemacht haben ;-).
Ich bewarb mich also in Mainz und startete mit dem Studium. Damals war es noch ein Magister-Studiengang, was bedeutete, ich konnte zwei weitere Nebenfächer wählen. Bei mir waren es Anglistik und Musikwissenschaften. Erschien mir irgendwie passend. War das ein Gefühl, zum ersten Mal durch das altehrwürdige Haupttor der Uni zu gehen – als Studentin! Und endlich war die Quälerei mit Mathe, Chemie und anderen Fächern, von denen ich doch schon immer wusste, dass ich sie nie brauchen würde, vorbei, und das echte Leben konnte beginnen.
Ha! Ich zog das Ding durch, boah ey, so richtig krass.
Naja, äh, so ziemlich genau ein Semester lang. Dann zog ich die Notbremse. Denn hätte ich weitergemacht, ich fürchte, ich wäre an Langeweile gestorben. Leider. Das ganze Studium drehte sich ausschließlich um Geschichte und Theorie des Theaters – und die war so staubtrocken, wie es der beste Wein nicht sein könnte. Spuren vom Zauber des Theaters jedenfalls suchte ich vergeblich. Also wieder mal: reset! Gehen Sie zurück auf Los. Ziehen Sie nicht 4000,00 DM ein…
Musik – trau dich
Zwar waren beide Nebenfächer diesbezüglich deutlich besser, aber auch nicht das Non plus Ultra. Als nun also wieder mal eine Umorientierung bevorstand, da endlich, entschied ich mich für das, was mich seit frühester Kindheit an begleitete und begeisterte: Musik.
Schon während der Abi-Zeit hatte ich privaten Gesangs-Unterricht bei der genialen Dora Michel genommen. Jeden Dienstagnachmittag mit Bus und Bahn (ein Auto besaß ich zu dem Zeitpunkt nicht) von Mainz nach Idstein und für 45 Minuten Unterricht insgesamt mehr als fünf (in Zahlen: 5!) Stunden unterwegs zu sein, machte mir nichts aus. An diesen Dienstagen passierte schultechnisch natürlich nicht mehr viel. Aber: Wer braucht schon gute Noten, wenn man dabei ist, die Karriereleiter der Sängerin hochzutrippeln ;-)?
Schließlich hatte sich der Aufwand auch gelohnt. Ich dachte mir: Na gut, machste einfach mal die Aufnahmeprüfung in Frankfurt und dann guckste weiter. Wenn es nicht klappt, bleibste eben in Mainz und steigst um auf Musikwissenschaften im Hauptfach.
Jetzt aber endlich: Studium des Jazz- und Pop-Gesangs!
Dora Michel bereitete mich also sehr engagiert auf die Aufnahme-Prüfung vor und das Wunder geschah: ich bestand und wurde angenommen. Wow, Jazz- und Popgesang studieren, wie geil ist das denn?
Ich weiß noch, wie ich, als ich die Zusage hatte und auf dem Heimweg in der S-Bahn Richtung Mainz saß, superhibbelig war und mit meinem Dauergrinsen wahrscheinlich all die mürrisch dreinblickenden Mitfahrer irritierte, aber das war mir egal: ich war einfach nur glücklich. Ich fühlte mich, als habe ich gerade das Ticket für eine mega Weltreise bekommen.
Vielleicht ist dieser Vergleich gar nicht mal so abwegig. Denn eine Reise mit vielen Stationen war es auf jeden Fall – auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geringste Ahnung hatte, welche Stationen dabei sein würden.
Aber, my dear ones, davon beim nächsten Mal mehr…keep on rockin’ 🙂